Im anschließenden dritten Themenblock stand das Thema der Partizipation im Vordergrund.

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Prognos Zukunftsatlas 2013 – Deutschlands Regionen im Zukunftswettbewerb. Statistik für den Landkeis Harz. Quelle: Screenshot, Prognos Zukunftsatlas 2013.

Prof. Dr. Birgit Apfelbaum, Professorin für Sozial- und Kommunikationsforschung an der Hochschule Harz, präsentierte den TeilnermerInnen ihre Projektidee zum Aufbau einer Video-Streaming-Plattform für kulturell interessierte SeniorInnen. Hintergrund der Projektidee ist eine Prognose des Prognos Zukunftsatlas, die den Landkreis Harz eine starte Überalterung der Region prophezeit. Angesichts solche Zukunftsperspektiven wäre es unumgänglich den Wunsch der BürgerInnen nach Partizipation nachzukommen und diese an die Bedürfnisse der KonsumentInnen anzupassen. Viele SeniorInnen würden versuchen so lange es geht in ihren eigenen vier Wänden zu leben, was nicht immer bedeutet, dass es ihnen möglich ist diese leicht zu verlassen, sei es aus gesundheitlichen oder anderwärtigen Gründen, wie fehlender Mobilität. Eine Gewährleistung der Lebensqualität kann durch verschiedene Maßnahmen erfolgen. Einen erheblichen Anteil hat hier die Nutzung von Technik auch im Alter.

Sogenannte Alterspioniere – also Personen, deren Technikaffinität auch im Alter stark ausgeprägt ist – werden im Umgang mit neuen Medien geschult und integrieren so diese Möglichkeiten in ihr alltägliches Leben. Durch Videotelefonie mit entfernt lebenden Verwandten oder auch die Nutzung von Tablets zum Lesen von Zeitungen werden die Vorteile der Technik auch an FreundInnen weitergetragen, ziehen in das normale Lebensumfeld ein, schaffen Akzeptanz und bauen die Scheu ab. Daher ist die Idee mit Unterstützung von Alterspionieren eine barrierefreie, bzw. barrierearme Teilhabe an kulturellen Veranstaltungen zu ermöglichen, indem mithilfe von verschiedensten Plattformen Live-Übertragungen von z.B. Veranstaltungen erfolgen. YouTube ermöglicht schon lange die Wiedergabe von Aufzeichnungen die zu verschiedensten Anlässen entstanden sind. Wichtig wäre den SeniorInnen allerdings eine wirkliche Teilhabe an der Veranstaltung, auch ohne vor Ort anwesend zu sein. Daher empfehlen sich für solche Projekte Plattformen wie Twitters Periscope oder auch Facebook Mentions. Über die App Periscope ist eine live Interaktion möglich, da über den Rückkanal während der Übertragung Fragen gestellt werden können. Die Nutzung der App ist, wie Facebook Mentions kostenfrei. Es wird lediglich eine Anmeldung bei dem Dienst vorausgesetzt. Die Live-Streams können auch gespeichert und Archiviert werden. Eine Einrichtung solcher Dienste setzt allerdings auch einige Vorüberlegungen voraus. Zunächst sind die Fragen nach Finanzierung und zu erwarteter Akzeptanz vordergründig. Ist damit zu rechnen, dass die entsprechende Zielgruppe in technische Geräte investiert um einen solchen Dienst zu nutzen? Wären sie gegebenenfalls auch bereit für so etwas einen Beitrag zu leisten? Wie ist die Anschaffung der technischen Geräte und Bereitstellung der live-Inhalte durch die kulturellen Einrichtungen zu bewerkstelligen? Diese und viele weitere Fragen wurden durch Apfelbaum bereits betrachtet. Die endgültige Frage ist jedoch, ob ein solcher Dienst tatsächlich eine adäquate Teilhabe ermöglicht oder lediglich einen Defizitausgleich durch passiven Konsum darstellen würde. Auch bei den TeilnehmerInnen der Tagung stellten sich viele Fragen in Zusammenhang mit der Projektidee. Leider mussten viele Fragen zurückgestellt werden, da der Tagungsplan eng gestrickt war.

Eine nähere Vorstellung der App Periscope übernahmen Fabian Degen und Thomas Karolczak von der Hochschule Harz. Dank eines in der Mittagspause produzierten Videoclips präsentierten sie kurz und anschaulich die Möglichkeiten und Grenzen der App. Denn – und das ist die Grundvoraussetzung für die Nutzung – aufgrund des fehlenden W-Lan-Signals und der schlechten Lan-Verbindung wurde das A und O der Nutzung ungeschönt präsentiert: für eine sinnvolle Nutzung ist eine Internetverbindung unumgänglich. Des Weiteren war das präsentierte Video qualitativ eher minderwertig, was selbstverständlich auf das Medium zurückzuführen war, welches für die Aufnahme verwendet wurde, das Smartphone. Für kulturelle Einrichtungen ist es demnach unumgänglich im Sinne einer gewissen Qualitätswahrung auf ein besseres Equipment zu setzen. Als Positiv wurde erachtet, dass das Video Bereiche erschloss, welche den meisten BesucherInnen der Tagung wohl verborgen geblieben wären – das Rektoratsgebäude, welches im Treppenaufgang wechselnde Kunstausstellungen beherbergt. So wurde mit einem kurzen Video präsentiert, welche Möglichkeiten und Grenzen durch eine Live-Streaming Plattform bedient werden. Degen und Karolczak stellten vor allem die Verwendung von „Hinter den Kulissen“ und Exklusiven Content heraus. Auch die Nutzung der Plattform für Videos deren Inhalte durch Gebärdendolmetscher begleitet werden fand guten Anklang bei den TeilnehmerInnen. Leider wurde auch hier eine abschließende Diskussion aufgrund fehlender Zeit vertagt.

Der abschließende Themenbereich widmete sich dem Thema Crowdfunding als Finanzierungsmöglichkeit. Manuela Dietz vom Ludwig-Jahn-Museum und Anja Thonig von der Vision Bakery GmbH präsentierten gemeinsam den derzeitigen Entwicklungsstand in der Planung der Crowdfundingkampagne für ein neues Mueums-Café für das Ludwig-Jahn-Museum. Das Museum und der Museumskomplex liegen in Freyburg (Unstrut) inmitten der Weinberge. Von den Terrassen des Museums aus genießt man den Blick über das Unstrut Tal. Diese idyllische Lage lockt jährlich mehrere Tausend BesucherInnen auf das Gelände. Viele BesucherInnen wünschen sich auf den Terrassen seit langem ein Café oder eine Möglichkeit bei einem Kaffee oder Tee zu verweilen und die Aussicht zu genießen. Da das Museum zu einem Großteil der Gelder, die zum Erhalt der Sammlung nötig sind aus den Spenden der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft finanziert wird, stand eine Finanzierung für den Neubau eines Cafés mithilfe von Spendengeldern nicht zur Debatte. Daher kam die Idee auf den Bau mit einer Crowdfunding Kampagne zu finanzieren. Dietz nahm dafür Kontakt zu Frau Thonig von Vision Bakery auf. Gemeinsam entwerfen sie derzeit ein Konzept für das Projekt. Dem Start der Kampagne geht eine langwierige Selbstanalyse des Museums voraus, eine Phase die derzeit bereits abgeschlossen ist. Das Einholen von Gutachten, Kostenvoranschlägen und der Entwurf der Projektstrategie für die Öffentlichkeitsarbeit sind in vollem Gange. Der Start der Finanzierungsphase ist voraussichtlich für August 2016 geplant. Thonig von Vision Bakery erklärte in einer stark verkürzten Form die Funktionsweise und Bedingungen einer Crowdfunding Plattform [vgl. dazu „Crowdfunding: Chancen und Grenzen – Eine Einführung“, Teil 1 und Teil 2].

Eigene Projekterfahrungen mit Crowdfunding stellte abschließend Christian Reinboth von der Hochschule Harz vor. Reinboth selber hat Erfahrungen auf der Plattform Sciencestarter gesammelt, eine Plattform die Projekte aus Wissenschaft, Forschung und Wissenschaftskommunikation fördert. Als Beispiele für erfolgreiche Kampagnen bezog er sich auf die Projekte „Silver Clips – Oma Lust auf Technik machen“ und „Dem Himmel so nah – Deutschlands erste barrierefreie Sternwarte“.

Zum Abschluss der Tagung wurden einige ReferentInnen um ein zusammenfassendes Statement gebeten, deren Aussagen hier frei wiedergegeben werden.

Kristin Otto, Vorsitzende MV LSA

Bezugnehmend auf einen Blog-Beitrag von Tanja Praske „14 Gründe, warum Museen kein Social Media brauchen“, sagt Otto, dass Museen unbedingt Social Media brauchen. Auch für kleine Häuser ist die Pflege eines Facebook Seite möglich und Notwendig, um z.B. Pressemitteilungen auch überregional verbreiten zu können und einen Mehrwert zu erzielen. Selbst mit wenigen Follower könnte man so ein breites Spektrum an BesucherInnen erreichen. Für Museen ist es wichtig, dass sie online gefunden werden, diese Auffindbarkeit kann durch eine Präsenz auf Facebook oder Twitter erhöht werden. Ihr Rat: Nicht so viel nachdenken – einfach anfangen!

Manuela Dietz, Ludwig-Jahn-Museum

Auf das „Wie“ kommt es an. Es gibt immer Luft nach oben, auch was den Online-Auftritt betrifft. Es sollte immer eine stetige Verbesserung und das formulieren von Standards angestrebt werden. Zum Beispiel könnte durch semantische Textoptimierung der Auftritt optimiert werden. Qualität und Quantität müssen stimmen und dürfen nie aus den Augen verloren werden.

Prof. Dr. Uwe Manschwetus, Professor für Kulturmarketing, Hochschule Harz

Die Techniken sind für viele Kulturschaffende neu. Man probiert selbstverständlich auch Neues immer gerne aus. Aber es darf kein blinder Aktionismus vorherrschen. Durchstrategisches Denken und das vor Augen führen und definieren der eigenen Visionen kann bestimmt werden, in welche Richtung man sich verwirklichen will. Welche Rolle spielt der Besucher? Wie kontrolliere ich meine Ziele? Welche Kennzahlen nehme ich, um Controlling Prozesse vernünftig zu leiten? Ein strategisches Vorgehen ist von Bedeutung war alle diese Fragen betrifft.

Dr. Stefan Rohde-Enslin, Chefentwickler „museum digital“, Institut für Museumsforschung

Man lernt Gehen beim Fallen. Man sollte einfach mal losgehen. Einfach machen. Nicht zu große Schritte nehmen, da kann man abstürzen, aber Kleinvieh macht auch Fortschritte.

Prof. Daniel Ackermann, Professor für interaktive Medien, Hochschule Harz

Die Digitalisierung von Objekten ist aktuelle noch sehr teuer, ja, aber die Prozesse werden immer weiter optimiert, die Technik besser und günstiger. Wenn man eine Vision hat sollte man es niemals scheuen sich mit den Akteuren zusammenzusetzen und der Frage nachzugehen „Wo möchte man hin?“ Nur so kann man gemeinsam Visionen realisieren. Die Zusammenarbeit mit einer Hochschule kann hierbei für beide Seiten nur von Vorteil sein, denn zwar dauert die Realisierung zwar etwas länger, aber es ist für alle Akteure ein Erkenntnisprozess und es entstehen Kooperationen für die StudentInnen und die Museen.

Susanne Kopp-Sievers M.A., Geschäftsführerin des MV

Die Digitalisierung und Nutzung von Webbasierten Anwendungen kann für Museen kein falscher Weg sein, denn sie können kulturelle Einrichtungen dabei unterstützen ihrem Bildungsauftrag nachzukommen.

Abschließend kann über die Fachtagung gesagt werden, dass die Wahl der Themenbereiche eine interessante Mischung aus den verschiedenen Bereichen der Digitalisierung darstellte. Sicher war nicht jedes Thema für jedes Museum zutreffend, aber es wurden viele Denkanstöße gegeben und Fragen aufgeworfen mit denen sich die TeilnehmerInnen in ihren Einrichtungen auseinandersetzen können. Viele der Themen hätten mehr Aufmerksamkeit, als die veranschlagten 20 Minuten pro Vortrag verdient. Durch die sehr straffe Tagungsplanung ohne Platz für Diskussionsrunden oder Abschlussdiskussionen – wovon lediglich nach dem ersten Themenblock eine eingeschoben wurde – und das Fehlen von Kaffeepausen blieb leider der Kontakt zu TeilnehmerInnen und ReferentInnen etwas außen vor. Oft mussten aufkeimende Diskussionen erstickt und unterbrochen werden, um dem Zeitplan Herr zu werden. Das abrupte Ende der Tagung sorgte für ein schlagartiges sich verteilen der TeilnehmerInnen, ein abschließendes get-together hätte den Dialog zwischen ReferentInnen und TeilnehmerInnen sicher fördern und zu neuen Denkansätzen anregen können. Nichtsdestotrotz kann die Tagung als interessant und aufschlussreich betrachtet werden aus der sicher viele das eine oder andere mitnehmen könnten. An dieser Stelle gilt der Dank dem Museumsverband Sachsen-Anhalt e.V. für die Organisation und der Hochschule Harz für die Bereitstellung der Räumlichkeiten.

Teil 1 des Tagungsberichts finden Sie hier.

Titelbild: Screenshot, Hochschule Harz. Quellnachweise: Titelzeile: Ölgemälde des Wernigeröder Rathauses von Herrmann Schnee (1840 – 1926), Harzmuseum.

Stefanie Karg
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2 thoughts on “„Digitalisierung in Museen“ – Fachtagung des Museumsverbands Sachsen-Anhalt e.V. – Teil 2”

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