Am 22.02.2016 lud der Museumsverband Sachsen-Anhalt e.V. nach Wernigerode ein, um an der Hochschule Harz gemeinsam mit ExpertInnen der Hochschule Harz und VertreterInnen aus dem musealen und kulturellen Sektor die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Welt zu betrachten. Unter dem Motto „Den digitalen Zugang zu musealen Exponaten strukturiert und ressourceneffizient planen und gestalten: Werkzeuge, Aufwand und Kosten“ stellten in vier Themenblöcken die ReferentInnen Projekte, Visionen und Möglichkeiten der Digitalisierung vor.

Die Tagung wurde moderiert von Susanne Kopp-Sievers M.A., Geschäftsführerin des Museumsverbandes. Mit einem wachen Auge behielt sie die Übersicht über den Tagungsplan und die Vortragszeit.

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Nach der Begrüßung der TeilnehmerInnen durch Prof. Dr. Armin Willingmann, Rektor der Hochschule Harz und Kristin Otto, Vorsitzende MV LSA widmete sich der erste Themenblock dem Thema der Museen im Internet.

Dr. Stefan Rohde-Enslin, Chefentwickler „museum digital“ vom Institut für Museumsforschung begann seine Ausführungen auf die Frage „Ist Digitalisierung für Museen wichtig?“ mit der Treffenden Aussage „Ja!“. Er stellte zutreffend heraus, dass die Entwicklung der technischen Mittel und Möglichkeiten vor keinem (Lebens)Bereich Halt macht. War vor wenigen Jahren noch ein Objekt an einen einzigen, bestimmten Zweck gebunden, überschneiden sich heute dank modernster Technik die Funktionalitäten. Durch den Wegfall von Spezialisierungen müssten Berufsbilder und auch Tätigkeiten neu bewertet werden. Die neuen Medien ermöglichen ein verwischen von früheren Grenzen. So ist es mittlerweile schwer ExpertInnen und begabte Amateure voneinander zu unterscheiden. Neue Entwicklungen ermöglichen die Vermengung von Informationen – Bsp. neuste Kameras versehen die Bilddatei mit Datum, Uhrzeit, GPS Daten des Aufnahmeortes und Kameraeinstellungen und können das Bild direkt mit Optimierungen versehen und auf Onlineplattformen hochladen. Diese Entwicklungen beeinflussen das Verhalten der Benutzer und verlangen ein Umdenken in vielen Bereichen, beginnend bei der Wertschätzung von Beständigkeit bis hin zu der Bedeutung des „Originals“. Texte werden kürzer, visuelle Inhalte nahezu verpflichtend und die Frage nach den Rechten an Bild und Text ist bedeutender denn je. BesucherInnen und NutzerInnen erwarten als ebendiese ernstgenommen und beachtet zu werden. Dies setzt bei den Kulturschaffenden viel Kreativität voraus und ein gewisses Gefühl für aktuelle Entwicklungen. Rohde-Enslin kommt zu dem Schluss, dass sich Museen auf keinen Fall dem digitalen verschließen aber auch nicht jedem „Hype“ nachlaufen sollten. Es wäre jeder Kultureinrichtung möglich auch mit wenigen Mitteln und einem gewissen Gespür für Trends und kreativen Ideen die digitalen Entwicklungen auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen.

Prof. Dr. Uwe Manschwetus, Professor für Kulturmarketing an der Hochschule Harz baute in seinen Ausführungen die Betrachtung der Sozialen Medien aus. Anmerkend, dass noch im Jahr 1997/98 der CD-ROM bei vielen Kulturschaffenden als Medium für Vermittlung von Inhalten sehr kritisch betrachtet wurde, schwenkt er in das Jahr 2006, als mit dem Aufkommen der Sozialen Medien und der „Geburt“ des Web 2.0 eine rasante Entwicklung in Gang gesetzt wurde, der User-Generatet-Content. Spätestens seit der Vorstellung des ersten Smartphones haben Plattformen wie Facebook, Twitter und YouTube das Verhalten der BenutzerInnen enorm beeinflusst. Manschwetus stellt heraus, wie sich das Medienverhalten innerhalb weniger Jahre verändert und sich eine neue Nutzungsdynamik entwickelt hat. Daher ist es umso wichtiger den Nutzer dort abzuholen, wo es sich aufhält. Denn auch Werbung müsse sich dort befinden, wo der Nutzer anzutreffen ist. Diese neue Dynamik bringe aber auch große Probleme mit sich, so gibt es zunehmend eine unkontrollierbare Meinungsbildung über Onlinemedien, die es NutzerInnen nicht einfach machen herauszufinden, was sie glauben dürfen. Zudem steige der Informationsgeräuschpegel unaufhörlich.

Von den 169 in Sachen-Anhalt ansässigen musealen Einrichtungen befänden sich im Moment 59% online mit einer eigenen Webseite. Die Präsenz auf Social Media Plattformen befände sich im bundesweiten Durchschnitt. Auffällig ist, dass unter den Museen auf Facebook und Twitter vor allem privat geführte Einrichtungen über die höchsten Fanzahlen verfügen. Des Weiteren ist es bezeichnend, dass auf jeder Plattform andere Museen die „Ranglisten“ anführen, was darauf zurückzuführen ist, dass kulturelle Einrichtungen sich zumeist auf eine der Plattformen spezialisieren. Manschwetus sieht eindeutige Verbesserungsmöglichkeiten im digitalen Engagement der Museen, stellt aber auch die Frage: „Was hindert die Museen daran dieses Engagement auszubauen?“ Neben den allseits gegenwärtigen finanziellen Gründen sieht er zudem externe Willensbarrieren – besonders häufig bei kommunalen Einrichtungen anzutreffen: das Museum möchte die Sozialen Medien nutzen und eine eigene Webseite etablieren, kann aber aufgrund von Bestimmungen der Kommune nicht – und interne Willensbarrieren – also der Unwillen der Verantwortlichen, aufgrund von z.B. Angst vor Datenverlust, Überwachung und dem Verlust der Aura des Exponates, sinkenden Besucherzahlen, mangelnder Technikaffinität oder schlicht dem nicht ersichtlichem Nutzen. Was er anhand des von „Google“ getauften „Zero Moment of Truth“ erörtert.

Hier trifft Manschwetus die Aussage: „Museen sollten nicht nur das Entweder-oder sehen, sondern auch das Sowohl als auch!“

Der erste Themenblock schließt mit der Vorstellung und Betrachtung des Social Media Auftrittes des Museumsverband Sachsen-Anhalt bei Facebook und Twitter durch Christian Reinboth, Hochschule Harz.

Im zweiten Themenblock steht das digitale museale Exponat im Mittelpunkt. Prof. Daniel Ackermann, Professor für interaktive Medien an der Hochschule Harz betrachtet die Frage danach, warum digitale Exponate Potential für Museen haben anhand einiger Beispiele aus aktuellen Projekten der Medieninformatik. Die Digitalisierung von Exponaten ist für ihn eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit Exponate dauerhaft zu konservieren. Physische Gegenstände können in die Sammlung der Zukunft virtuell eingebunden werden und den Besuch um neue Erfahrungsräume erweitern. Das digitale Objekt kann es ermöglichen eine Faszination zu schaffen und eine Begeisterung für das physische Objekt hervorzurufen, die in einem Besuch der kulturellen Einrichtung endet. Als aktuelle Beispiele stelle Ackermann Projekte von StudentInnen der Hochschule Harz vor. So wurde unter anderem das Kloster Ilsenburg um eine virtuelle Begehung erweitert. Ziel war es, es dem Besucher zu ermöglichen sich interaktiv über die Geschichte und Architektur des Klosters informieren zu können. Eine interessante Möglichkeit den realen Besuch um eine digitale Komponente zu erweitern, denn so können BesucherInnen Orte/ Bereiche und Ansichten erschlossen werden, die sich auf einem realen Besuch nicht entdecken lassen.

Ein weiteres Projekt war das sogenannte gleim.net für das Gleimhaus Halberstadt. Hier wurde ein für SchülerInnen eher weniger ansprechender Ausstellungsbereich konzeptionell um eine interaktive Komponente erweitert, in der „die TeilnehmerInnen die Rolle einer Persönlichkeit aus Gleims Freundeskreis übernehmen und mittels eines sozialen Netzwerks per Tablet PC kommunizieren“.

Die Möglichkeiten gehen dank der Technik von Virtueller Realität und Augmented Reality Anwendungen jedoch weit über die genannten Projekte hinaus. Digitale Objekte könnten zukünftig jederzeit und überall in den jeweiligen Raum „importiert“ und so digital erfahrbar gemacht werden. Die Konservierung seltener Objekte, um Funktionsweise, Aussehen und zum Teil auch Haptik und andere Eigenschaften des Exponates zu bewahren stelle „ganz neue Möglichkeiten in der Ausstellung der Zukunft“ dar.

Ein Objekt, bei dem dies möglich ist, wurde von Paul Kirsten, Virtual Reality-Designer von der KH Burg Giebichenstein vorgestellt. Nietzsches Schreibkugel ist ein rares Objekt und vor allem in technischen Museen und Einrichtungen zum Thema der Schreibkultur sehr begehrt. Die Funktionsweise und das Aussehen des Gerätes sind einmalig. Da nur wenige der Geräte produziert wurden, ist es schwierig die Funktionsweise nachvollziehbar zu gestalten – das Objekt ist zu wertvoll. Ein erfahren eines solchen Exponates ist über die visuelle Betrachtung in einer Vitrine hinaus nicht möglich. StudentInnen der Burg haben mithilfe von Bauplänen und Fotos eine interaktive VR-Präsentation erstellt, die am Computer eine Erfahrbarkeit des Objektes ermöglicht. Dank der Genauigkeit der Präsentation war es sogar möglich die Maschine nachzubauen und BesucherInnen in einer Ausstellung in einer Kombination aus haptischem Modell und VR-Präsentation zur Verfügung zu stellen.

Hier geht es weiter mit Teil 2.

Beitragsbilder:
Titelbild: Screenshot, Hochschule Harz. Quellnachweise: Titelzeile: Ölgemälde des Wernigeröder Rathauses von Herrmann Schnee (1840 – 1926), Harzmuseum.

Tagungsprogramm: Screenshot, Tagungsseite, Hochschule Harz.

Stefanie Karg
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