Die Geschichte meiner Odyssee beginnt Ende September 2019 in Esens, bei der Jahreshauptversammlung unseres Vereins Kultur hoch N e.V.. Während unserer Jahreshauptversammlung legen wir jährlich den Termin und Ort für unsere nächste Vereinsexkursion fest. Da wir uns in den vergangenen Jahren zumeist auf den Norden des Landes konzentriert haben, wollten wir für das Jahr 2020 ein Exkursionsziel in der Mitte des Landes anstreben, welches für unsere Mitglieder und Freunde aus der ganzen Bundesrepublik gut erreichbar sein sollte, auch, und vor allem, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Nach kurzen Debatten stand das Ziel fest. Es sollte nach Magdeburg gehen, im September.

Planungsphase 1

Die erste Planungsphase ist meistens sehr entspannt, man hat genug Zeit und lotet alle Möglichkeiten aus. Unser Vereinsmitglied Silvia hat mir den Kontakt zu Gabriele Köster, der Leiterin des kulturhistorischen Museums vermittelt. Schnell stand fest, dass wir unseren Mitgliedern während der Exkursion eine ausführliche Führung durch das Dommuseum Ottonianum Magdeburg anbieten können, gefolgt von einem geselligen Mittagessen und einer Führung durch den Magdeburger Dom am Nachmittag.

Mittlerweile neigte sich das Jahr 2019 dem Ende entgegen. In unserem Jahresrückblick verkündeten wir auf das freudigste ein „Save the Date“ und versprachen im Frühjahr genauere Informationen zur Verfügung zu stellen.

Ausschnitt aus der Weihnachtsrundmail vom 22. Dezember 2019

Die ersten Monate des Jahres 2020 verbrachte ich mit der Suche nach einem passenden Lokal für die Einkehr zum Mittagessen. In den Nachrichten häuften sich Informationen zu einem neuartigen Virus. Plötzlich verkündetet das RKI eine pandemische Situation, statt mir über die Exkursion Gedanken zu machen, informierte ich mich über ein Wort, dass auf einmal in aller Munde war: „Covid-19“, im Supermarkt gab es weder Nudeln noch Toilettenpapier, geschweige denn Handseife oder gar Desinfektionsmittel. Dann kam der 17.03.2020 – der erste Lockdown.
Die Exkursion war in den Gedanken in weite Ferne gerückt.

Planungsphase 2

Aber wir, von Kultur hoch N, haben allesamt die Eigenschaft, immer positiv in die Zukunft zu blicken. Der Lockdown würde ja auch bald wieder ein Ende haben, nur eben ein paar Wochen überstehen, Kontakte einschränken, sich an die Hygienevorschriften halten. Alles kein Problem. Die Planungen lagen zwar vorerst auf Eis, aber sobald man endlich Näheres erfahren würde, könnte ich sofort wieder los legen. Und so verfolgte ich, wie viele andere Menschen, gespannt jede Ansprache unserer Bundeskanzlerin, las die Zahlen des RKI, lernte, was das Worte Inzidenzwert bedeutet, arrangierte mich selbstredend mit den stetig angepassten Hygienemaßnahmen und freute mich darauf mit meinen Freund*innen vom Verein im Herbst einen schönen Tag in Magdeburg zu verbringen. Ich wollte dorthin auch meine Familie mitnehmen, da unsere Exkursionen immer für alle offen sind, und dachte oft darüber nach, wie wir wohl im Herbst über dieses merkwürdige Frühjahr lachen werden.

Wir verkündeten unseren Mitgliedern kurz nach Ende des ersten Lockwown „Die Exkursion findet statt!“.

Oja. Ich dachte, sie würde stattfinden, ich wollte mich ab Juli wieder in die Planung begeben und die letzten Details besprechen. Doch das war leichter gesagt als getan. Weil ich wusste, dass insbesondere das Einhalten der Hygienevorschriften für unsere Mitglieder kein Problem darstellen würde, begann ich nach Shops zu suchen, die uns einen Mundschutz mit einem Logo versehen können. Etwas, was ich vorher auch noch nie getan hatte. Doch schnell musste ich feststellen, dass uns ganz andere Hürden den Weg versperren würden. So ist es nach den Vorschriften schon schwierig gewesen, überhaupt für 15-20 Exkursionsteilnehmer*innen eine Führung zu organisieren. Es gab Einlassbeschränkungen, Kontaktbeschränkungen, Abstandsregeln. Die Museumsführer*innen konnten/durften einfach nicht so viele Menschen gleichzeitig durch die Räumlichkeiten geleiten.
Eine Lokalität für das gesellige Mittagessen zu finden, war quasi unmöglich. So viele Personen aus verschiedenen Haushalten hätten nicht mehr an einem großen Tisch gemeinsam essen dürfen. Gemeinsam in einem Raum hätten alle Hausstände an einem eigenen Tisch sitzen müssen, zwischen den Tischen musste beispielsweise der Mindestabstand gewährt sein. Und das waren nur einige der vielen Regeln, die eingehalten werden mussten, sofern ein Beisammensein für eine Gruppe bis zum Zeitpunkt der Exkursion überhaupt wieder gestattet werden würde. Eine gastronomische Einrichtung zu finden, die all das gewährleisten kann, war quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Wir diskutierten während unserer montalichen Vorstandsbesprechungen unterschiedliche Ideen: Ein Snackpaket zusammenstellen und den Teilnehmer*innen bei Ankunft in die Hand drücken? Ein Lokal mit To-Go Verkauf auftun und sich im Park weitläufig verteilen zum essen? Alle Teilnehmer*innen „laufen lassen“ und eine Uhrzeit und Treffpunkt mitgeben? Viele Ideen, aber wirklich praktikabel schien uns keine, denn unsere Exkursionen leben vor allem vom geselligen Beisammensein und dem regen Austausch unter den Teilnehmer*innen. Die Mittagspausen und auch das Zusammensein in einer angenehmen Lokalität zum Ausklingen des Tages sind ein wichtiger Teil unseres vereinsbegleitenden Netzwerkgedankens. Unter den Corona-Konformen Voraussetzungen war dieses für uns alle sehr wichtige Detail nicht gegeben und trotz unserer frommen Wünsche: Die Situation wurde nicht besser. Und noch vor Beginn des Sommers verkündetet ich während unserer monatlichen Vorstandssitzung die Worte, von denen ich selber wenige Wochen zuvor noch nicht angenommen hatte sie aussprechen zu müssen: „Wir werden die Exkursion in diesem Jahr ausfallen lassen.“

Ausharren

Ok, ich, wir alle, waren sehr optimistisch. Also planten wir die Exkursion nicht einfach ausfallen zu lassen, sondern sie auf das Frühjahr 2021 zu verschieben. Wir recherchierten Ferienzeiten, wann Ostern und Pfingsten sind, und in unserem Jahresabschluss 2020 – mitten im zweiten Lockdown – verkündeten wir abermals das Stattfinden der „Exkursion 2020 – Reloaded in 2021!“

Es folgte der endlose Lockdown Nummer drei. Mittlerweile ist der Sommer 2021 angebrochen. Aktuell sinken die Inzidenzwerte, die Länder lockern die Regeln, die Impfungen nehmen Fahrt auf, die Gastronomie hat in großen Teilen wieder geöffnet, die Kultureinrichtungen ebenfalls. Doch ich für meinen Teil muss sagen, im Moment ist für mich noch lange nichts wie früher. Alles fühlt sich noch so falsch an. Ich habe gelernt, mich auf mein Bauchgefühl zu verlassen und dies sagte mir sehr früh im Jahr, dass 2021 ebenfalls keine Exkursion stattfinden wird.

Wie wird es weitergehen? Ich kann es nur schwer sagen. Im Moment harre ich der Dinge, die da kommen. Ich persönlich bin momentan noch nicht wieder in der Lage, die aktuellen Freiheiten und das wiederbeginnende kulturelle Leben zu genießen. Ich muss mich langsam in dieses neue Leben vortasten. Was früher (Es fühlt sich schon fast ironisch an dieses Wort zu nutzen – früher – ich spreche hier von 2019. Das ist 1 1/2 Jahre her.) so normal war, ist heute etwas Neues, was ich erst wieder lernen muss. Ich fühle mich unwohl in großen Menschenansammlungen und der Genuss im Wort „Kulturgenuss“ hat sich bei mir noch nicht wieder eingestellt. Viel zu oft ärgere ich mich über unnötig leichtsinnige Menschen, die sich nicht an die Regeln halten. Ich möchte nicht, dass wir im Herbst Lockdown Nr. 4 („Delta-Edition“?) begrüßen müssen, nur weil einige wenige zu fahrlässig werden. Und diese Gedanken halten mich persönlich derzeit noch sehr vom Genießen ab.

Nach diesem ganzen hin und her, auf und ab fühle ich mich beim Schreiben dieser Worte etwas schuldig. Im gesamten Jahr 2021 habe ich noch keinen erneuten Kontakt zu Frau Köster aufgenommen, um ihr mitzuteilen, dass auch in diesem Jahr unsere Exkursion nicht in eines der oben genannten Häuser führen wird. Ich fühle mich einfach nur etwas, ich würde es ausgebrannt nennen. Ausgebrannt an Optimismus. Aber, und das möchte ich betonen, nicht hoffnungslos. Ich weiß, dass diese Pandemie irgendwann ihr Ende in den Geschichtsbüchern finden wird und auch mein Kulturbesuch wieder zum „Genuss“ wird.

Wir vom Verein planen mutig für das Jahr 2022. Wird es uns endlich nach Magdeburg verschlagen? Ich kann es noch nicht sagen, aber wir schauen immerhin optimistisch in die Zukunft und sind frohen Mutes, im kommenden Jahr unsere Mitglieder wieder vernetzen und bei einem geselligen Beisammensein mit den Teilnehmer*innen zu plaudern, auf die letzten zwei Jahre zurückblicken und vielleicht auch erleichtert lachen zu können.

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Der Beitrag ist Teil der Blogparade #KulturAlltagCorona2 von Kultur hoch N.

Stefanie Karg
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