Mehr als sieben Wochen ist er her, dass die Landesregierungen in der „Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19“ beschlossen haben, dass neben Kindertagesstätten und Schulen auch Kultureinrichtungen für den Publikumsverkehr geschlossen werden. Galten die Bestimmungen vorerst bis zum 19. April 2020, wurden die Maßnahmen nach und nach ausgeweitet. Seit heute, dem 4. Mai 2020, geht durch die Kulturbetriebe ein vorsichtiges, ja zaghaft, zurückhaltendes Aufatmen. Erste Lockerungen erlauben es unter anderem Museen und Bibliotheken, aber auch Zoologischen Einrichtungen wieder ihre Türen für den Besucher zu öffnen.
Vorschriften, Maßnahmen und viele offene Fragen
Nach dem ersten Seufzer der Erleichterung machen sich nun viele Fragen in den Kultureinrichtungen breit. Die Öffnung der Häuser darf nur unter sehr strengen (und wichtigen!) hygienischen Maßnahmen erfolgen. Seit Ausbruch der Pandemie haben sich strikte Regeln zu Abstand- und Hygiene etabliert. Diese sollen auch nach der Öffnung der Einrichtungen nicht außer Acht gelassen werden.
Schon am 16. April, als die ersten Lockerungen der strikten Kontaktbeschränkungen und die Öffnung kleinerer Einzelhandesgeschäfte beschlossen wurde, veröffentlichte der Deutsche Museumsbund auf seiner Webseite eine Liste der Maßnahmen, die Museen treffen sollten, um sich auf die bald zu erwartende Erlaubnis der Öffnung der Häuser vorzubereiten. Selbsverständlich ist diese Aufzählung keine strikte Weisung und auch nicht 1:1 auf jedes Haus anwendbar, doch stellt sie eine grobe Orientierungshilfe dar.
Eine Auswahl der Vorschläge:
- Begrenzung der Besucherzahlen
- kluge Besucherführung
- Infoplakate zu Hygienemaßnahmen vor dem Eingang und an den Kassen
- Infoplakate zu Abstandsregelungen in den Ausstellungsräumen
- Bereitstellen von Händedesinfektionsmitteln für die Besucher
- Schutz des Personals (Schutzvorrichtungen an den Kassen, Handschuhe, Mundschutz, Desinfektionsmittel)
- nachhaltige Anpassung der Notfallpläne
Eine Vielzahl der Maßnahmen sollten selbst in kleinen Häusern ohne größere Probleme umsetzbar sein, doch bei vielen anderen Anregungen treten wohl bei dem einen oder anderen Verantwortlichen Sorgenfalten auf die Stirn.
Nach sieben Wochen ohne Publikumsverkehr liegen dementsprechend auch sieben lange Wochen ohne Einkünfte hinter den Museen. Die Eintrittsgelder der Besucher sind, was kein Geheimnis ist, essentiell für den Fortbestand der Einrichtungen. Aber ohne Eintrittsgelder ist in den vergangenen Wochen bei allen das Geld knapp geworden. Allen Einrichtungen, egal, ob staatlich, vereinsgeführt oder städtisch steht mit den Maßnahmen, die ohne wenn und aber zu 100 % sinnvoll und notwendig sind, jedoch auch erstmal ein stolzer Kostenaufwand in das Haus. Das beginnt schon bei „Kleinigkeiten“ wie dem Bereitstellen von Desinfektionsmitteln oder Schutzmasken für das Kassenpersonal, hat hier der Markt doch bewiesen, wie aus Cent-Produkten überteuerte Artikel werden, deren Lieferung zusätzlich überzogen lange dauert. Viele Häuser haben hier jedoch schon viel Kreativität bewiesen. So wird Desinfektionsmittel beim Spirituosenhersteller im Ort erworben und Behelfsmasken werden selbst angefertigt. Sogar an die Besucher wird hierbei gedacht und der Mund-Nasen-Schutz als Marketinginstrument entdeckt.
Andere Vorschläge hingegen sind wohl gut gemeint, aber nur in einem sehr überschaubaren Prozentsatz der Museen umsetzbar (Achtung: Nur meine Meinung!):
- Führungen und museumspädagogische Angebote nur unter Einhaltung des Sicherheitsabstands zwischen den Teilnehmenden möglich
- spezielle Zeitfenster für Risikogruppen
- erweiterte Öffnungszeiten
- Reinigungsintervalle erhöhen
- Personal aus Risikogruppen in Bereichen ohne Publikumskontakt einsetzten
- Scannen von Online-Tickets durch die BesucherInnen
So finde ich, dass museumspädagogische Angebote, sofern sie nicht draußen an der frischen Luft, auf einem fußballfeldgroßen Areal mit maximal 20 Personen stattfinden, wohl noch eine ganze Weile nicht in Betracht gezogen werden können. Ja, die Vermittlungstätigkeit ist wichtig und das Museum an sich ist auch ein Ort der Bildung, doch ist hier wohl kaum die Wahrung der Abstandsregeln gewährleistet. Hier wird viel Improvisationstalent gefragt sein und auch die Besucher werden sich wohl noch eine Weile mit Einschränkungen zufrieden geben müssen. Doch sollte hier von keiner Seite her Frust entstehen, viel mehr ist Geduld, Zuversicht und jede Menge Planung gefragt, damit auch in diesem Bereich bald wieder ein Stück Normalität zu verzeichnen ist.
Zeitfenster für Risikogruppen, Beschäftigung von Personal aus Risikogruppen abseits vom Besucherverkehr (und dazu zählen nicht nur Personen über 60) und erweiterte Öffnungszeiten klingen auf dem Papier großartig. Doch was machen Häuser mit weniger als 10 Angestellten? Oder die rein auf Ehrenamtliche angewiesen sind? Leider wird in solchen Fällen die einzige Lösung die strenge Begrenzung der Besucherzahlen darstellen.
Genauso schwierig wird wohl die Erhöhung der Reinigungsintervalle sein. Denn auch hier spielt das liebe Geld eine Rolle. Eine täglich mehrmalige Reinigung von z.B. Handläufen, sanitären Anlagen oder auch Medienstationen ist selbstverständlich, doch arbeitet man mit einer Reinigungsfirma zusammen kann diese das natürlich nicht vornehmen. Hier ist wiederum das angestellte Personal gefragt, was uns wieder zu dem vorherigen Punkt führt.
Dieser kurze, kritische Blick auf die vorgeschlagenen Maßnahmen soll jedoch kein Argument gegen die Öffnung von kulturellen Einrichtungen sein, sondern nur eine Art „Erinnungshilfe“, denn mein Aufruf an alle lautet:
Besucht kulturelle Einrichtungen!
Natürlich ist das jetzt keine Aufforderung meinerseits die Museen oder Bibliotheken zu stürmen, wie eine wiedereröffnete Filiale eines Baumarktes oder schwedischen Möbelhauses. Dennoch ist es besonders in den kommenden Wochen wichtig diese Orte des Wissens und der Bewahrung unserer Geschichte aufzusuchen. Die finanziellen Einbrüche sind hier, wie überall, schon lange über einen kritischen Punkt hinweg. Ein Großteil der Häuser ist darauf angewiesen Eintrittsgelder zu generieren. Viele Ausstellungen mussten verschoben oder gar abgesagt werden. Solche Maßnahmen sind mit finanziellem Aufwand verbunden (z.B. Leihgebühren, Versicherungen, usw.) auch freischaffende Künstler sind auf Gelder angewiesen, die sie z.B. durch eine Ausstellungseröffnung oder eine Ausstellung ihrer Werke eingenommen hätten. Nur, wenn die Häuser wieder einen mäßig steigenden Besucherverkehr verzeichnen können, können finanzielle Einbußen, zumindest in Teilen, ausgeglichen werden.
Ein Museum lebt durch den Besucher. Lasst uns die Museen wieder zum Leben erwecken. Der Mensch braucht Kultur. Und auch wenn eine Maske vor Mund und Nase für uns immer noch neu und ungewohnt ist und die Einlassbeschränkungen manch einem überzogen erscheinen, ist es doch wichtig genau jetzt den kulturellen Einrichtungen beizuwohnen. Schaufelt euch ein paar Stunden im Tagesplan frei, schnappt euch eure DIY Masken, Tücher oder Schals, haltet euch an die Abstands- und Hygienevorschriften und genießt Kultur! Und habt Verständnis, wenn die Öffnung des einen oder anderen Hauses noch ein paar Wochen dauert, wie ihr seht haben alle viel zu tun, oder ihr mal ein paar Minuten warten müsst, bevor ihr eingelassen werdet.
Hilfen für Künstler und Kreative
Eine Übersicht der Maßnahmen der Bundesregierung, um Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen und die Zukunft der Kultureinrichtungen zu sichern. Findet sich hier.
Damit auch kleinere Museen sich auf die Wiedereröffnung vorbereiten können hat die Kulturstaatsministerin Monika Grütters das Sofortprogramm für Schutzmaßnahmen „Neustart“ ins Leben gerufen. Dafür stellt der Bund in diesem Jahr einmalig bis zu zehn Millionen Euro zur Verfügung. Weiterführende Informationen dazu sind hier zu finden.
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