Managementtrainings, Einzelcoachings, Moderatoren- und Rednerengagements (z.B. „events & more für junge Leute“), Interventionen als Heilpraktiker für Psychotherapie mit eigener Praxis, freie (Fach-)autorenschaft, Lehraufträge (z.B. an der FH Osnabrück) und, last but not least, lectures und performances als Deutschlands einziger Mitternachtsmagier im professionellen Segment – das ist das, was insgesamt meinen Lebensunterhalt ausmacht. Was sich mit mir gefunden hat, weil ich empathisch, sinnlich und sinnvoll arbeiten (und überhaupt: leben) möchte, verantwortungsvoll und sozial gestaltend.
All diese Tätigkeiten haben einen gemeinsamen Nenner: Zwischenmenschliche Kommunikation. Diese hat sich, krisengeformt, verändert. Auf ein paar Besonderheiten dieser Veränderungen und ihre Folgen für meine Tätigkeitsfelder gehe ich kurz ein, vielleicht sind sie für jemanden von Interesse.

Seit Anbeginn der Corona-Pandemie sind allüberall Menschen unterwegs mit geradezu versteinert fröhlichem Grinsen. „Corona-Grinsen“ habe ich diese Mimik im Stillen für mich getauft. Eine geradezu euphorische Krisenbewältigungskompetenz wird offenbar beansprucht (und allgemein erwartet! Man schaue sich z.B. die Bewerbung der Corona-App und diverse Durchhaltevideos auf Youtube an), die im krassen Widerspruch zur tatsächlichen Belastbarkeit der Resilienzen der Menschen zu stehen scheint. Die daraus möglicherweise entstehende emotionale Ambivalenz kenne ich aus meiner Psychologischen Praxis sehr gut: Neurotisches, tendenziell aggressives Verhalten mit nahezu beliebigem Adressaten kann daraus entstehen. Diese Effekte erleben wir momentan auf den Straßen.

Der unmittelbare zwischenmenschliche Kontakt kann nicht durch digitale Kommunikation ersetzt werden. Menschen brauchen ihn zum Austarieren ihrer eigenen Identität, zum Er-leben Ihres physischen Seins und nicht zuletzt zur Regulierung hormonbasierter Ungleichgewichte. Die einfache Echtheit von real-life face-to-face Kommunikation kann von keiner noch so sehr auf Authentizität getrimmten Zoom-Konferenz ersetzt werden. Dabei ist es ja nicht so, als würde das nicht permanent versucht: Ungeschminkt in der Jogginghose vor der mit peinlichster Sorgfalt auf „nachlässig“ getrimmten Bücherwand platzierte Konferenzteilnehmer lassen ihre Katzen aufs Stichwort über die Tastatur baseln – ein verzweifelter Versuch, echtes Leben abzubilden. Die zweite Dimension wird mit Symbolen der dritten Dimension angereichert. Aber seien wir ehrlich: Der Effekt ist ungefähr derselbe, den man hat, wenn man hungrig in einem Kochbuch blättert. Für wenige Momente fühlt man sich vielleicht getriggert und aufgeregt euphorisch, doch satt wird man davon nicht: Was bleibt ist der Hunger.

Und tatsächlich habe ich den Eindruck, dass gerade eine ganze Menge Menschen ihren Hunger auf Kultur (vielleicht zum ersten Mal überhaupt) entdecken, einfach, weil ihnen was fehlt. Wohingegen ich mir ebenfalls sicher bin (weil ich ihnen manchmal begegne), dass es auch eine ganze Menge Menschen gibt, die die aktuelle Situation als zutiefst befriedigend empfinden: Da sieht man endlich mal, dass man auf diese ganze Kasperei auch gut verzichten kann… Kennt Ihr Jean de la Fontaines Fabel von der Ameise und der Grille?

Ich selber möchte die Menschen hungrig halten. Sinnes- und kulturhungrig. Und dafür beschreite ich recht spezielle Wege. Mit Bekannten, die u.a. Goldschmiede, Maler, Philosophen, Literaten und Lehrende sind, habe ich mich im „Rosengarten“-Projekt gefunden, dass sich der Vermittlung eines originären Konzepts sensorisch/intellektuellen Kulturerlebens verpflichtet hat. Es funktioniert dezidiert abseits aller Virtualität. Man findet uns nicht in den sozialen Medien, man findet uns nicht im Netz, höchstens in Form von Andeutungen, etwa HIER. Wir kommunizieren ausschließlich im real life, wir begegnen uns so echt wie wir können, unsere Gäste finden uns. Als Einzelkünstler sende ich hin und wieder, seit Corona dann auch vereinzelt im virtuellen Raum und oft mit der Hilfe von Freunden, dezente Aufrufe zur Bewahrung von Menschlichkeit und allem, was den Menschen ausmacht. Damit der Hunger bleibt und wir nicht vergessen, warum wir ihn brauchen (z.B. You Tube Channel Magica Poetica).

Wie dem auch sei: Kultur will sicherlich und in angemessener Sicherheit erlebt werden. Mit allem, was uns als lebendigen Wesen zur Verfügung steht, auch und gerade in unmittelbarer Interaktion. Wenn man in diesem Bewusstsein aktuell Veranstaltungen realisieren will, stößt man auf nahezu unüberwindbare Hürden – wöchentlich ändern sich die Anforderungen, und dass auch noch länderspezifisch, oft auf willkürlich wirkende Weise. Wenn man dann trotzdem schafft, etwas auf die Beine zu stellen, kann das nur mit einem auf Künstler- ebenso wie Gästeseite permanent hintergründig schwelenden Unsicherheitsgefühl geschehen. Eine Zitterpartie, ein Eiertanz, Kultur im Zwielicht, im Nebelfeld.

Ich bin mir sicher, dass es Menschen gibt, die insgeheim schon immer gehofft haben, dass sich eine Situation wie die aktuelle ergibt, um den ganzen, lästigen, unliebsamen, subversiven Rotz loszuwerden, der Kultur nun mal auch manchmal ist, ja, sein muss. Aber so easy läuft das nicht. Wir blühen weiter, momentan halt mehr im Stillen.

Aber freut Euch auf die Blüte…

Titelfoto "Empath"
Titelfoto „Empath“
Foto: Christiane Winkler

Der Beitrag ist Teil der gemeinsamen Blogparade #KulturAlltagCorona von Kultur hoch N und Zeilenabstand.net.

Knut Knackstedt
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