Am 20. März 2016 lud das Veranstaltungsteam der Leipziger Buchmesse zur ersten Konferenz für Blogger im Rahmen der jährlich im März stattfindenden Leipziger Buchmesse ein: den „buchmesse:blogger sessions 16“. Schon früh erkannten die Veranstalter der Buchmesse, welchen Einfluss im „Neuland“ Internet die Blogger haben. Seit einigen Jahren werden Presseakkreditierungen auch an (Literatur)Blogger vergeben, um ihnen die Möglichkeit zu geben die Messe als offizielle Pressevertreter zu besuchen und sich untereinander, mit Verlagen und Autoren vernetzen zu können. Die Zahlen der Blogger, welche sich akkreditieren lassen, steigen jährlich. Waren 2015 „nur“ knapp 350 Blogger angemeldet, wurden in diesem Jahr bereits ca. 800 verzeichnet. Die Veranstalter sehen den wachsenden Einfluss von Bloggern als Chance – nicht nur für die Verlage, sondern auch für die Blogger selbst.

Mit der ersten Bloggerkonferenz richtet sich die Leipziger Buchmesse an Blogger, Verleger, Autoren, Leser und Journalisten. Im Fokus steht das vielfältige Zusammenspiel von Akteuren des Literaturbetriebes mit Bloggern. Neben einer Keynote diskutieren Experten in vier Sessions und anschließenden Podiumsdiskussionen die Herausforderungen des noch jungen Kommunikationszweigs.

Quelle: Bloggerguide LBM

Entsprechend groß war auch der Andrang zur ersten (von hoffentlich noch vielen folgenden) Veranstaltung dieser Art. Neben dem generellen Hashtag zur Buchmesse #lbm16 wurde eigens für die Veranstaltung unter dem Hashtag #bmb16 von den Teilnehmern fleißig getwittert.


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Das Programm hielt was es versprach: eine abwechslungsreiche Mischung aus Keynote, Diskussion und Vermittlung. Zum Auftakt der Veranstaltung richtete der Direktor der Leipziger Buchmesse, Oliver Zille, persönlich das Wort an die Teilnehmer. Mit dem Hinweis auf die Bedeutung von Bloggern für die Messe selber und dem Aufruf die Veranstaltung gerne auch kritisch in den eigenen Blog-Beiträgen zu betrachten, schloss er seine Begrüßung mit den Worten:

„Frei nach dem Motto: Mach einen Plan, mach einen zweiten Plan und dann wirst Du sehen, dass es eigentlich ganz anders ist.“

Anschließend bot Karla Paul mit ihrem leidenschaftlichen Appell an alle Blogger, sich nicht kleinreden zu lassen, einen grandiosen Einstig in den Veranstaltungstag.

„Es scheint aber im Menschen an sich ein natürliches Bedürfnis zu geben, sich von den Anderen abgrenzen zu wollen, also ich da oben und Du da unten und in Deutschland bitte sowieso alle ganz ordentlich mit Gartenzaun und dieses Neuland bringt jetzt aber wirklich auch alles durcheinander. (…) Aber verdammt noch eins, wir haben 2016 – kommt endlich raus aus Eurer Emo-Flauschzone und stellt Euch der dringend notwendigen Professionalität, denn Ihr macht Werbung für das wichtigste Medium überhaupt. Literatur verändert Menschen und benötigt Euch als Botschafter. Wo Mode- und Lifestyleblogs längst zu eigenen Unternehmen geworden sind, habt Ihr weder Mediadaten noch Nutzeranalysen, SEO-Optimierung ist ein Fremdwort, kein Affiliatesystem und auf Nachfrage reicht Euch allein das Herzblut, aber excuse me – davon kann man keine Miete bezahlen.“

Quelle: Buchkolumne

Die komplette Keynote: Literaturblogs 2016 – raus aus der Flauschzone!, ist auf Buchkolumne.de nachlesbar.

Schnell war das Publikum von Pauls Worten gebannt. „Professionalität und Leidenschaft schließen sich nicht aus“ – eine wichtige Erkenntnis. Aber wieviel Leidenschaft und Ausdauer sind notwendig, um sich in der Masse zu beweisen? Dass der Aufbau und die Pflege eines eigenen Blogs nicht nur Leidenschaft, sondern auch Zeit und Hartnäckigkeit verlangen, steht wohl außer Frage. Pure Leidenschaft bildet mit Sicherheit eine bedeutende, um nicht zu sagen essentielle, Grundlage für das Stehen und Fallen eines solchen Projektes. Doch dass ein Blog auch jede Menge – vor allem juristische – Fallstricke mit sich bringen kann, wird allzu oft außer Acht gelassen. Gerade in Deutschland sind die rechtlichen Grundlagen nicht zu vernachlässigen. Um diesen Bereich den Teilnehmern näher zu bringen, gaben Dr. Stefan Haupt (Rechtsanwalt bei Haupt Rechtsanwälte) und Rainer Dresen (Justiziar der Verlagsgruppe Random House) einen Überblick über den aktuellen Stand des Urheberrechts, zu Rahmenbedingungen für Blogger und worauf beim Zitieren, Verwenden von Covern, Autorenfotos usw. geachtet werden muss. Dass gerade die jüngsten Abmahnwellen im Zusammenhang mit der Wikimedia Foundation und Wikimedia Deutschland insbesondere zur Verwendung von Creative Commons und lizenzfreien Bildern (siehe dazu auch „Die Reiss-Engelhorn-Museen auf kulturpolitischen Abwegen“ und „Die Suche nach Bildquellen im Netz – lizenzfrei ist nicht gleich lizenzfrei“) bei vielen Bloggern eine tiefe Verunsicherung und etliche Fragen hervorgerufen haben, wurde in der anschließenden Diskussions- und Fragerunde mehr als deutlich. Haupt und Dresen nahmen sich viel Zeit die Fragen der Teilnehmer ausführlich zu beantworten, gaben Tipps, Hinweise und hoben auch mal ermahnend den Zeigefinger. Letzteres vor allem im Zusammenhang mit einem Rechenbeispiel, das bei so manchem Zuhörer wohl ein unbehagliches Bauchgefühl hervorgerufen haben dürfte. Denn die beispielhafte Berechnung der zu zahlenden Summe, die bei einer nicht genehmigten Verwendung von Bildmaterialien entsteht, bewegt sich nach einigen Wochen bereits in einem fünfstelligen Bereich. Den gesamten Vortrag zum Nachhören – und um daraus lernen – gibt es hier.

Zeitgleich zur Session 1.1: Rechtliche Fragen und Rahmenbedingungen fand die Session 1.2: Blogkonzepte statt. Hier stellten unterschiedliche Blogger sich und ihre Plattformen vor und diskutieren über Konzepte, Motivation und Erfahrungen. Auch diese Session findet sich hier zum Nachhören.

Nach einer Mittagspause mit grandioser Versorgung durch das Veranstaltungsteam konnten die Teilnehmer gestärkt in die nächste Runde starten.

WP_20160320_13_44_47_RichSession 2.1: Die Podiumsdiskussion „Blogger Relations“ setzte sich aus hochkarätigen Gästen zusammen. Judith Tings (Kirchner Kommunikation), Karina Elm (NetGalley Deutschland), Annette Geduldig (Online PR-Referentin Bastei Lübbe), Tanja Rörsch (mainwunder Buchmarketingagentur), Anke Henkel (Online Redaktion Carlsen Verlag) und Holger Reichard (wortmax) setzten sich mit folgender Frage auseinander: „Wenn Verlage und Literaturblogger aufeinandertreffen: Ist das schon Werbung? Sollte man kostenlose Bücher annehmen?”. Eine Einheit, die den Nerv des Publikums besonders zu treffen schien. Die Diskutierenden mussten sich nicht nur unzählige Fragen der Teilnehmer stellen, sondern forderten sich auch untereinander zu Statements und klaren Positionierungen heraus. Schnell entflammte eine hitzige Diskussion mit Einwürfen aus dem Publikum und spontanem Applaus. Besonders die Frage danach, warum gute Arbeit nicht auch gut bezahlt werden sollte, brachte auf den Punkt, was vielen Teilnehmern unter den Nägeln brannte. Dies war nicht den Reaktionen auf Twitter direkt während der Diskussionen zu entnehmen:

…sondern auch einigen Beiträgen von Teilnehmern, die im Anschluss an die Konferenz entstanden. Interessant sind hier zum Beispiel „Mein Blog ist keine Spielwiese: Über die Professionalisierung und Monetarisierung von Buchblogs” von Saskia Weyel auf Who is Kafka? und „Spielwiese Buchblog?! // Professionalisierung und Monetarisierung von Blogs” von Philip Aschermann auf Book Walk.

Die gesamte, hitzige Diskussion ist ebenfalls auf Voicerepublic Nachzuhören.

Parallel zu Session 2.1 fand auch die Session 2.2: „Workshop zum Bloggen“ statt. Tina Lurz (Marketingmanagerin Lovelybooks) beschäftigte sich gemeinsam mit den Teilnehmern mit dem Thema konkreter Rubriken im Blog, der Regelmäßigkeit im Verfassen von Beiträgen, nützlichen Utensilien und dem Aufbauen von Kontinuität. Die Teilnehmer des Workshops erstellten einen Redaktionsplan und setzten sich mit den Fragen Zeitmanagement und Organisation auseinander. Leider konnte diese Veranstaltung durch die Autorin nicht besucht werden.

In der abschließenden Podiumsdiskussion zur Professionalisierung von Blogs wurde das Eröffnungsstatement noch einmal zur Diskussion gestellt. Ute Nöth (Senior Manager Social Influencer Relations im Carlsen Verlag), Karla Paul (Verlagsleiterin Edel eBooks), Leander Wattig (Gründer von Orbanism) und Susanne Kasper (Literaturschock) beschäftigten sich noch einmal mit den Thesen und Erkenntnissen des Tages. Sie kamen zu dem Fazit, dass es den (Literatur)Bloggern vor allem an Erfahrung fehlt, zu erkennen, was für einen erfolgreichen Start in der Szene notwendig ist. Aus diesem Grund seien Veranstaltungen wie diese unersetzlich für Blogger, Verlage und Autoren, denn nur so könnten alle das Potenzial erkennen, das im Verborgenen – abseits der Beautyblogs mit ihren Schaumkörperpflegeprodukten – schlummere. Wichtig wäre, dass nicht nur der Inhalt eines Blogs stimmen müsse, um entsprechende Reichweiten aufzubauen. Denn – auch wenn der eine oder andere eine abweichende Meinung haben mag – es kommt im Endeffekt (fast) immer auf die entsprechende Reichweite der Beiträge an, die über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Auch die Form des Webauftritts muss stimmen. Neben vielen rechtlichen Aspekten wie Impressumspflicht und Urheberrecht sollten auch professionelle Messungen zur Erhebung von „Erfolgsdaten“ nicht außer Acht gelassen werden. So würde sich mit Selbstbewusstsein und Professionalität mit der Zeit ein gewisser Erfolg einstellen. Die Frage danach, ob Blogger für ihre Rezensionen eine finanzielle Endleistung erhalten sollten, ließ sich nicht so einfach zusammenfassen. Die Diskussion dazu wurde bereits in der vorhergehenden Session umfassend besprochen. Ein zusammenfassender Appell war, dass Herzblut nicht nur vom Blogger selber kommen dürfe. Viel mehr käme es auf eine sinnvolle Zusammenarbeit an. Nur, wer „seine“ Blogger kennt, könne eine langfristige, auf Vertrauen und Respekt basierende, persönliche Beziehung aufbauen, die für beide Seiten gewinnbringend ist. Besonders methodisch und technisch gäbe es auf diesem Gebiet in der Literaturbranche noch sehr viel Luft nach oben. (Literatur)Blogger sollten mehr Biss haben, selbstbewusst mit dem, was sie bereits erreicht haben, umgehen, Zahlen und Fakten nennen und sich nicht kleinreden lassen.

Um es mit den Worten von Felix Wegener zu sagen:

„Seid mutig, seid flauschig, seid krawallig, informiert euch, vernetzt euch und vergesst nie Spaß dabei zu haben.“

Alle Sessions und Diskussionen sind auf Voicerepublic zum Nachhören verfügbar.

 

Stefanie Karg
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