Teil I – Vorgeschichtsforschung an der Berliner Universität bis zum Zweiten Weltkrieg

© Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsbibliothek
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Die Prähistorische Archäologie an der Berliner Universität setzt mit einer der bekanntesten und umstrittensten Personen unseres Faches ein, Gustaf Kossinna (1858 – 1931). Der geborene Tilsiter (Ostpreußen) wurde am 19. Juli 1902 rückwirkend zum 01. April 1902 zum planmäßigen außerordentlichen Professor für Deutsche Archäologie an der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin berufen. Damit war er der erste Hochschulprofessor des jungen Faches.

Zunächst litt Kossinnas Arbeit als Professor unter der mangelnden Anerkennung seines Faches, so wurde es zeitweise nicht als Hauptfach anerkannt und am Raummangel, denn Dienst-, Übungs-, Sammlungs-, und Bibliotheksraum bildeten eine Einheit. Die Unterbringung erfolgte zunächst in einem Wohnhaus. Erst als der Ostflügel der Universität ausgebaut wurde konnte das sogenannte Germanische Institut umziehen. Außerdem hatte Kossinna einen schwierigen Umgang mit der Universität, die seine Methoden immer wieder scharf kritisierte.

Er nutzte die archäologischen Quellen zur Gestaltung seiner methodisch mitunter einseitigen und gefährlichen nationalen Konzeptionen. Genannt sei die Ethnische Deutung, durch die Siedlungsarchäologische Methode und seine Konzepte von Kulturprovinzen.

Kossinna setzte erstmals in der Lehre die Diapositivtechnik ein und baute eine umfangreiche Bibliothek auf. Seine Vorlesungen beschränkten sich nicht nur auf den deutschen Raum, er referierte auch zur „Kulturgeschichte der Bronzezeit Mittel- und Nordeuropas“ und hielt „Übungen zur vorgeschichtlichen Archäologie Mittel- und Nordeuropas“.

© Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsbibliothek; Vorgeschichtliches Jahrbuch, Gesellschaft für vorgeschichtliche Forschung, Bd. IV, Berlin/Leipzig 1930; Foto: Atelier Scherl
© Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsbibliothek; Vorgeschichtliches Jahrbuch, Gesellschaft für vorgeschichtliche Forschung, Bd. IV, Berlin/Leipzig 1930; Foto: Atelier Scherl

Sein Nachfolger wurde der Stendaler Max Ebert (1879 – 1929). Er lehrte zwischen 1926 und 1929 in Berlin. Seit 1924 gab er das 14-bändige Reallexikon der Vorgeschichte, die erste Enzyklopädie des Faches heraus. Er wurde gegen den Willen Kossinnas Professor in Berlin. Zwischen 1906 und 1919 arbeitete er am Berliner Staatlichen Museum für Vor- und Frühgeschichte mit Carl Schuchhardt, danach war er bis zu seiner Berufung nach Berlin Professor in Königsberg. Das Germanische Institut wurde unter Ebert in Vorgeschichtliches Seminar umbenannt und Mitglied der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft.

Die wichtigsten Änderungen unter Ebert:

  1. Ebert erhielt einen Lehrstuhl für europäische Vorgeschichte, nicht mehr für deutsche Prähistorie.
  2. Der prähistorische Apparat wurde vom Germanischen Seminar gelöst und Ebert wurde Direktor eines eigenständigen Vorgeschichtlichen Seminars.
  3. Die Vorgeschichte wurde seit 1927 wieder als Haupt- und Nebenfach im Prüfungsverfahren zugelassen.

Ebert bot Vorlesungen zur älteren Bronzezeit, zur Völkerwanderungszeit und zur Germanischen Frühgeschichte an und hielt einführende Überblicksvorlesungen.

Nach Eberts Tod, mit nur 50 Jahren, blieb die Professur zwischen 1929 und 1934 vakant. Nur die beiden Honorarprofessoren Albert Kiekebusch (1870 – 1935) und Walter Unverzagt (1892 – 1971) konnten einen minimalen Lehrbetrieb aufrechterhalten.

Zum 1. November 1934 erhielt Hans Reinerth (1900 – 1990) seine Professur Aufgrund des Drucks den das Amt Rosenberg auf die Universitätsleitung ausübte. Das „Vorgeschichtliche Seminar“ wurde in ein selbstständiges „Institut für Vor- und germanische Frühgeschichte“ umgewandelt. Da er gegen den Willen der Philosophischen Fakultät berufen worden war, wurde er im universitären Umgang isoliert. Er hatte in seinen elf Jahren an der Berliner Universität kein Ehrenamt inne, beteiligte sich nicht an der universitären Selbstverwaltung und trat nur als Lehrender auf. Auch zum Staatlichen Museum für Vor- und Frühgeschichte und zum Landesamt für brandenburgische Geschichte hielt er keine Kontakte.

In enger Zusammenarbeit mit dem Amt Rosenberg lehrte Reinerth eine rassistische und nationalistische Archäologie. So mussten beispielsweise alle Studierenden die Vorlesung „Deutsche Vorgeschichte als politische Wissenschaft (Geschichte, Aufgabe und Arbeitsmethoden)“ besuchen.

In seiner Methodik zog er Dendrochronologie, Pollenanalyse und Moorgeologie heran. Als Ausgräber legte er Wert auf Fotografie und einer exakten Aufnahme der Grabungsflächen und Funde. Seine bedeutendsten Ausgrabungen fanden zu den Pfahlbauten im Federseegebiet statt.

Positive Veränderungen die Reinerth herbeiführte:

  1. Aufbau einer umfangreichen Bibliothek
  2. Aufbau einer großen Lehrsammlung
  3. Erweiterung des Lehrangebots
  4. Intensive Grabungstätigkeit mit Beteiligung der Studierenden.

Nach Kriegsende wurde er seiner Ämter an der Berliner Universität enthoben und fand in der prähistorischen Forschung keinen Anschluss mehr. Bis zu seinem Tod leitete er das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen.

Literatur:

  • H. Grünert, Gustaf Kossinna (1858 – 1931). Vom Germanisten zum Prähistoriker. Ein Wissenschaftler im Kaiserreich und in der Weimarer Republik (Rhaden/Westf. 2002).
  • A. Leube, Prähistorie zwischen Kaiserreich und wiedervereinigtem Deutschland. 100 Jahre Ur- und Frühgeschichte an der Berliner Universität Unter den Linden (Bonn 2010).
Kevin Ostwald

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