Die ehemalige Reichsstadt Nürnberg hat es unter den zahlreichen kriegszerstörten deutschen Altstadtensembles besonders hart getroffen. Zu den schmerzlichsten Verlusten gehört das kunsthistorisch bedeutende Pellerhaus am Egidienplatz. Es wurde 1602 bis 1605 nach Plänen von Jakob Wolff dem Älteren im Renaissancestil mit reicher Giebelfassade und Innenhof errichtet. Die nach dem Krieg noch existente Bausubstanz wurde in einen Neubau von 1957 der Architekten Fritz und Walter Mayer einbezogen. Um diese integrierten Reste zu bewahren, stellten Denkmalpfleger den Nachkriegsbau später unter Denkmalschutz. Und gerade diese Maßnahme scheint nun zum Stolperstein zu werden, wenn es um die beabsichtigte Rekonstruktion des Pellerhauses geht.
Die Altstadtfreunde Nürnberg initiierten 2005 die spendenbasierte Rekonstruktion des Innenhofes. Die Bauarbeiten starteten 2008, der Abschluss ist für 2017 geplant. Nun denkt man bereits über die Wiederauferstehung der Fassade nach, wieder über Spenden finanziert. Dennoch regt sich gegen die Pläne des Vereinsvorsitzenden der Altstadtfreunde, Karl-Heinz Enderle, Widerstand. Nicht zuletzt die Untere Denkmalschutzbehörde steht sich dabei selbst im Weg, indem sie auf den Denkmalstatus der Nachkriegsbaus verweist. Man ignoriert dabei offensichtlich die Intention, die einst zu diesem Schritt führte, nämlich die vorbildliche Konservierung der erhaltenen Bauteile des Renaissancebaus zu würdigen. Kritik kommt auch von BauLust e.V., Initiative für Architektur und Öffentlichkeit und der Vorsitzenden Brigitte Jupitz. Doch die Argumentation, es würde ein „Disneyland“ entstehen, ist so wenig überzeugend wie bereits widerlegt. Beispiele wie der Hildesheimer Marktplatz, der alte Markt in Potsdam mit dem rekonstruierten Stadtschloss oder der Dresdner Neumarkt mit der Frauenkirche beweisen eindrücklich, dass die Konzepte der Wiederbelebung verlorener Stadtbilder funktionieren und identitätsstiftend wirken. Demnächst werden die Frankfurter Altstadt und das Berliner Stadtschloss die Reihe der gelungenen Projekte fortsetzen.
Unterstützung erhalten die Altstadtfreunde dagegen von dem Nürnberger CSU-Fraktionschef Sebastian Brehm. Und damit wird die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer solchen Rekonstruktion einmal mehr dem Boden der Sachargumente entrissen und zum Politikum. Diesen Sachargumenten folgt der bundesweit agierende Verein Stadtbild Deutschland. In einem offenen Brief wandte sich dieser an den Nürnberger Stadtrat. Darin heißt es unter anderem:
Ein Abriss der jetzigen Fassade bietet zudem einen weiteren Vorteil: Er ist für die öffentliche Hand erheblich günstiger und würde die gespannte Haushaltslage Nürnbergs entlasten, denn im Falle des Abrisses entfiele ein großer Teil der veranschlagten Sanierungskosten. Danach würde die neue Fassade nach den originalen Plänen Jakob Wolffs von 1602 rekonstruiert werden, aber nicht durch Steuergelder finanziert, sondern durch die gesammelten Spenden der „Altstadtfreunde Nürnberg“. Da solche Projekte erfahrungsgemäß eine große, touristische Dynamik entfalten, wäre der Erfolg gewiss. Schon jetzt beeindruckt allein der rekonstruierte Pellerhof viele Besucher. Ein in seiner ursprünglichen Gestalt vollendetes Gebäude würde einen noch höheren Zuspruch erfahren, denn erst dann entsteht aus dem Innenhof und der Fassade wieder das harmonische Gesamtkunstwerk, das Nürnbergs Ruf so prägte.
In Nürnberg ergibt sich die einmalige Chance, die einst so prächtige Altstadt der Reichsstadt wieder ein Stück attraktiver für Besucher und Einheimische zu machen. Und das zum Nulltarif! Es wäre äußerst bedauerlich und beschämend, wenn Interessenverbände und Politik das ehrenamtliche Engagement der Nürnberger ausbremsen würden. Das Pellerhaus kann zum Symbol für den nachhaltigen Umgang unseres kulturellen Erbes werden und den Weg für weitere Projekte dieser Art ebenen. In anderen Städten hat man dies bereits erkannt.
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