Seit sechs Monaten arbeite ich in der Bentheimer Touristinformation (TI). Diese befindet sich seit ca. 20 Jahren in der alten Kaiserlichen Post von 1904. 2008 habe ich während REGIALOG VII dort und in der kreiseigenen touristischen Einrichtung jeweils kurz reingeschnuppert.

Ausstellung TI

Meine Aufgabenbereiche grob umrissen:
– Gästeberatung am Counter (in Deutsch und Niederländisch), per Telefon und E-Mail
– Erstellung der Wochenabrechnungen
– Versand von Infomaterial
– Nachfüllen der Regale mit Prospektmaterialien und Souvenirs
– Unterstützung der Hotelzimmer- und Ferienwohnungsvermittlung
– Pflege der Facebookseite der Touristinformation
Die alltäglichen Themen bei der Gästebetreuung spult man innerhalb kürzester Zeit routiniert ab: Nahezu gleichlautende Erläuterungen zum Treffpunkt für Führungen oder auch zum Besuchereingang für die Burg. Erklärungen der Radrundwegkarten oder den Wanderwegen lassen auch wenig kreativen Spielraum.

BentheimerBürsteGestalterisch durfte ich mich einbringen. Das Souvenirsortiment wurde um eine schräge Idee erweitert und die Wände sind nun mit Bildern anderer Künstler behängt. Die beiden Initiatoren von Kunst und Heimatkunde haben u.a. Fotoarbeiten und Zeichnungen beigesteuert.

Die Bentheimer Bürste des Künstlers Manfred Flucht trägt den Leitgedanken „Gegen den Strich gebürstet“ als Aufruf dazu, auch mal Querdenker zu sein. Es ist ein Dreiklang aus Bentheimer Sandstein und jeweils symbolisch Holz für den Bentheimer Wald und Borsten als Hinweis auf die alte Nutztierrasse „Buntes Bentheimer Schwein“.

Neben dem Alltagsgeschäft findet man sich oft unverhofft in Situationen, die einem spontan einiges in Sachen Kreativität oder Geduld abverlangen. Manche Gäste stellen am Counter abstruse Fragen, Ansprüche oder auch Behauptungen auf, auf die man eingehen muss. Manchmal denke ich hinterher: „Oh, das musst Du un-be-dingt aufschreiben und später ein Anekdotenbuch daraus machen!“ Beispiele gefällig? Hier:

Neulich versuchte ein älterer Mann, mir seine Theorien über den örtlichen Sandstein aufzuzwängen. Ich bin seit Jahren ehrenamtlich für das Sandsteinmuseum tätig, kenne mich aus und weiß, dass meine Widerlegung seiner Behauptungen auf Wissen beruhten. Unter anderem war er felsenfest überzeugt, den Sandsteintransport in Richtung westliche Niederlande habe man über einen Fluss und die Nordsee vollführt und nicht über die Route, die ich ihm beschrieb. Er verwechselte dabei offenbar die Flüsse Vechte (ndl. Vecht, durchfließt vom Münsterland her die Grafschaft Bentheim und geht weiter bis Zwolle) und Ems. Trotzdem wollte er sich das weder auf einer Karte zeigen lassen noch meinen Argumenten zuhören. Umso besser untermauerte er für sich selbst seine Fehlansicht durch Erheben der Stimme, bevor er dann mit einem gemurmelten Spruch über unwissendes Personal die TI in Richtung Sandsteinmuseum (!) verließ. Leider weiß ich nicht, ob ihm im Museum dann ein Lichtlein aufgegangen ist.

Seltsam ist es auch, wenn plötzlich eine verwirrt wirkende Frau vor einem steht und verlangt, dass man ihr den neuen Abfahrtsort und die Abfahrtszeit des Busses nach Groningen nennt. Mit dem sei sie schon häufiger gefahren. So ein Bus existiert jedoch gar nicht und hat es auch nie gegeben, es gibt jedoch die Buslinie 400 nach Gronau! Also habe ich brav die Sachlage erläutert. Entweder mit dem Zug über Hengelo und weiter in nördlicher Richtung nach Groningen oder über Rheine und Leer. Das beschwichtigte die Dame nur wenig. Sie meinte, man wolle sie veräppeln, schließlich habe sie hier sonst auch die Tickets gekauft! (seufz)

Beliebte wiederkehrende Veranstaltungen sorgen für volle Gästeunterkünfte. Rund um die Gourmetmeile, beim Weinfest oder dem jährlichen großen Flohmarkt am letzten Augustsamstag hieß es 2015: Alles dicht! Ständig aktualisierte Listen zeigten, welcher Vermieter noch Gäste unterbringen konnte – falls überhaupt. Unberechenbarer Faktor sind dann solche kurzfristig anreisenden Gäste, die naiv direkt vor Torschluss „mal eben“ auftauchen und ein Hotelzimmer (selbstverständlich günstig!) vermittelt haben möchten. Ein: „Ich bedauere, dass ich Ihnen da auf die Schnelle hier am Ort nichts mehr anbieten kann.“, nach mehreren vergeblichen telefonischen Anfragen, reicht nicht. Manche verlangen geradezu, dass man die Vermieterliste abermals durchtelefoniert, ob nicht doch ein Gast abgesprungen sei. In solchen Momenten muss ich mir meine typischen zynischen Bemerkungen verkneifen. Ich verweise nicht zum Spaß Gäste weiter in die Nachbarorte, zumal die TI u.a. an erwirtschafteten Vermittlungsgebühren und Kurbeiträgen gemessen wird.

Der Job macht mir überwiegend sehr große Freude. Merkwürdige Kunden oder skurrile Situationen sind dabei das Salz in der Suppe gegen routinierte Abläufe. Sogar die Wochenabrechnungen, die ich als Hasserin von Formeln und Zahlen zu Beginn verfluchte, gehen mir inzwischen recht gut von der Hand.

Den Job in der TI und meinen alten Job längerfristig zu je 50% laufen zu lassen, erwies sich schon nach gut zwei Monaten als nicht praktikabel. Überstunden und Sondertermine auf beiden Seiten gingen jeweils zu Lasten des anderen Jobs und Urlaubszeiten wären kaum miteinander vereinbar. Von der Halbtagsstelle sowie gelegentlichen Burg- und Stadtführungen allein lässt sich leider nicht leben. Da muss eine Lösung her.

 

Birgit Baumann
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2 thoughts on “Wo geht’s denn hier zur Burg? – Arbeitsalltag in einer Touristinformation”

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